Eigenart

Vom Umgang mit Gesichtsblindheit und andern einzigartigen Eigenarten

Bis heute hatte ich mit der Gesichtsblindheit (siehe letzter Blogeintrag) nie das Gefühl, dass ich eine Krankheit habe, dass ich eine Therapie brauche oder das wegmachen müsste.

Wir Menschen erleben und nehmen so unterschiedlich wahr. Einige riechen besonders intensiv und differenziert, andere weniger und merken es nicht mal. Es gibt Menschen, die sind hochsensibel. Manche können sich Zahlen äusserst gut merken und können gut kopfrechnen, andere haben bei Zahlen überhaupt keine Vorstellung im Kopf. Und es gibt Menschen, die können Buchstaben nicht oder schlecht auseinanderhalten. So what? Sind die Menschen nicht einzigartig, wenn wir nicht durch das Schulsystem und unsere Gesellschaft alle vergleichen würden und alle Eigenarten pathologisieren würden? Ein Grund, wieso ich aus der Schulmedizin ausgestiegen bin. Gewisse Dinge machen wir gerne, weil sie uns liegen. Wer Mühe hat mit Zahlen, wird wahrscheinlich keinen Beruf wählen, bei dem das relevant ist.

Ich persönlich kenne mich familiär bedingt gut mit dem Autismus-Spektrum aus. Tatsächlich erkenne ich auch bei mir ein paar Eigenarten, die diesem Spektrum zugeordnet werden könnten. Ich spüre aber keine Einschränkung im sozialen Alltag.

Seit Kindheit lebe ich mit ausgeprägten sensitiven Fähigkeiten. Ich habe das jahrelang gar nicht bemerkt, da ich davon ausging, dass alle so wahrnehmen wie ich. Irgendwann habe ich über Gespräche mit andern bemerkt, dass das nicht bei allen gleich ist.

Ist dies nun gut oder schlecht? Weder noch! Es IST einfach. Es ist die Art, wie wir unterschiedlich wahrnehmen. Wenn wir jeglichen Vergleich ablegen, jegliche Bewertung loslassen, entsteht Freiheit. Und Freude über die Einzigartigkeit jedes einzelnen. Jede und jeder gestaltet ihre/seine Realität anders.

Lass uns neugierig bleiben, wenn sich unser Gegenüber anders verhält als wir erwarten oder es gerne hätten! Life is magic!

Herzlich

Denise Rüttimann